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Kommentar von Marc-Michael Ossen zum Wirecard-Fiasko

Wirecard? Ernsthaft?

Da tun sich die Deutschen soundso schon schwer mit der „Aktie“ als Investment, dann auch noch so ein Skandal.
Um es vorwegzunehmen, auch wir hatten und haben kleine Positionen dieses Unternehmens in den Portfolios, allerdings nur sehr geringe Bestände.

Der oberste Grundsatz einer zuverlässigen Vermögensverwaltung ist breite Diversifikation, sodass ein Portfolio auch bei stärkeren Schwankungen einzelner Wertpapiere immer noch sicher aufgestellt ist. Diesen Grundsatz haben wir natürlich auch befolgt, sodass wir aufgrund des Wirecard-Skandals weder stärkere Einbußen noch stärkere Schwankungen in den Portfolios haben. Auch befindet sich so ein Wertpapier natürlich keinesfalls in den konservativen Strategien.

Da dieser Skandal jedoch etwas mit der gesamten Finanzbranche zu tun hat, möchte ich speziell darauf eingehen und Stellung beziehen.
Ich muss auch zugeben, dass ich ein „Fan“ des Unternehmens war. „Bin“ wäre derzeit das falsche Wort, denn ich kann nicht mehr wissen, was stimmt und was nicht.

Schlimm genug, dass 2 Milliarden Euro fehlen, dass es Scheinbuchungen gab und noch so manches mehr. Noch viel gravierender finde ich allerdings das Thema, dass die Wirtschaftsprüfer von Ernst & Young die Berichte 2016, 2017 und auch 2018 testiert und somit ihr Okay gegeben haben, obwohl dies anscheinend nie hätte passieren dürfen!

Wie soll ein Analyst, eine Bank, ein Asset Manager oder ein Privatanleger eine eigene Analyse tätigen, wenn er sich nicht auf die veröffentlichten und von renommierten Wirtschaftsprüfungsgesellschaften bestätigten Zahlen eines Unternehmens verlassen kann? Wir können ja nicht alle ins Unternehmen rennen und die Bücher selbst einsehen wollen? Das ist für mich der eigentliche Schaden. Und leider auch besonders für Deutschland.

Machen wir uns gelegentlich über so einiges lustig, was in den USA möglich ist (damit nehme ich ausdrücklich nicht Bezug auf aktuelle Themen!), so muss man eingestehen, dass die USA beim Thema „Aktien“ viel weiter sind.

Dass Wirtschaftsprüfer und die BaFin (staatliche Finanzaufsicht in Deutschland) alle versagt haben, ist ein Trauerspiel. Und das nachdem alle Finanzdienstleister seit Jahren unter der enormen Bürokratie der Finanzaufsicht „leiden“.

Seit der Finanzkrise 2008 hat sich unsere Branche komplett verändert und vieles wurde uns deutlich schwerer gemacht (wie immer besonders den ehrlichen Unternehmen), wenn auch ich viele Veränderungen als sinnvoll erachte. Dass uns das dann aber im Umkehrschluss nicht einmal eine Sicherheit vor solch einem Betrug gibt, ist unfassbar. Massige Auflagen, immense Kosten und vieles mehr für keinen Mehrwert.

Zurück zum Thema:
Es ist fürchterlich, was hier passiert ist und, dass es passieren konnte. Betroffen sind unsere Strategien nur minimal, sodass es mir das Schreiben natürlich leichter macht. Dennoch finde ich den psychologischen Schaden extrem.

Vergessen dürfen wir aber nicht, dass die „Aktie“ heute unabdingbar ist. Viele weitere sinnvolle und verfügbare Anlageformen gibt es nicht mehr. Aber es sollte immer auf genügend Diversifikation geachtet werden, sodass trotz Analyse kein Übergewicht entsteht und man Probleme leicht ausbügeln kann.

Inzwischen musste die Firma Wirecard Insolvenz anmelden, wenn auch anscheinend aufgrund der Tatsache, dass die eigenen Gelder bei dem Tochterunternehmer der Wirecard Bank AG liegen und hier die BaFin die Konten erst einmal gesperrt hat. Aus Sicherheitssicht sinnvoll, allerdings ist die Insolvenz natürlich vorprogrammiert, wenn ein Unternehmen über seine Konten nicht mehr verfügen kann und somit auch beispielsweise die Gehälter nicht mehr auszahlen kann. Bleibt also abzuwarten, was nun mit dem Unternehmen passiert...

Hoffen wir, dass sich für die Mitarbeiter, den Standort, die Technik, den Fortschritt sowie die Anleger eine Lösung findet!