zurück zur Übersicht

Der Umbau der deutschen Energieversorgung

Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin hat aktuelle Berechnungen zur Energieversorgung Deutschlands veröffentlicht. Zugrunde liegen dabei verschiedene Szenarien in Bezug auf mögliche Fördermengen und Einsparpotenziale.

Bislang bezog Deutschland rund 55 Prozent seines Erdgases aus Russland. Die vom DIW entwickelten Szenarien zielen darauf ab, wie Deutschland schnellstmöglich von diesen Importen unabhängig werden könnte.

Laut DIW können auf der Angebotsseite Lieferungen anderer Erdgasexportländer einen Teil der russischen Exporte kompensieren. Darüber hinaus würde es die Versorgungssicherheit erheblich stärken, wenn die Pipeline- und Speicherinfrastruktur effizienter genutzt werden würde.

Auf der Nachfrageseite gibt es der Veröffentlichung zufolge ein kurzfristiges Einsparpotenzial von 19 bis 26 Prozent der bisherigen Erdgasnachfrage. Vor allem bei der Stromerzeugung ist erhebliches Potenzial vorhanden. Mittelfristig ist daher insbesondere ein Schub in Richtung erneuerbarer Wärmeversorgung und höherer Energieeffizienz erforderlich. In den Nachfrageszenarien wird davon ausgegangen, dass mindesten 30 Prozent und bis zu 100 Prozent (im Verhältnis zu 2020) des Erdgasverbrauchs im Stromsektor verschoben werden könnten.
Darüber hinaus liegt im Bereich der Privathaushalte ein erheblicher Anteil des Einsparpotenzials, welches relativ einfach gehoben werden könnte, wenn die Haushalte die Raumtemperatur senken würden. Ein Grad weniger Raumtemperatur spart etwa sechs Prozent Heizenergie.

Das DIW kommt zu dem Ergebnis, dass bei maximaler Nutzung der Einsparpotenziale und gleichzeitiger Ausweitung der Lieferungen aus anderen Erdgaslieferländern (so weit wie technisch möglich) die deutsche Versorgung mit Erdgas auch ohne russische Importe im laufenden Jahr und im kommenden Winter 2022/23 gesichert wäre.

Die Beschreibung der Szenarien zeigt dabei allerdings vielfältige Einflussfaktoren auf. So sind die Entwicklungen unter anderem davon abhängig, wie viel Erdgas in andere Länder geliefert wird. Denn natürlich kommt es aktuell in vielen Ländern zu einer Umverteilung. Auch sollten, um realistisch zu bleiben, Themen wie erforderliche Wartungen der Pipeline-Anlagen und dadurch bedingte Lieferausfälle berücksichtigt werden. Die optimistischen Szenarien lassen diese zum Beispiel oft außen vor.

Einer der wichtigsten Erdgaslieferanten für Deutschland sind die Niederlande (zuletzt Rang drei nach Russland und Norwegen). Sie liefern Erdgas aus kleineren Feldern in der Nordsee und vor allem aus dem großen Groningen-Erdgasfeld. Allerdings gibt es seit etwa zehn Jahren Probleme mit Erdbeben in der Groningen-Region, weswegen die Förderung dort zurückgeführt wurde und die maximale Fördermöglichkeit wahrscheinlich nicht ausgeschöpft werden kann.

Auch zu Flüssigerdgasterminals enthält die Veröffentlichung eine klare Aussage:
„Darüber hinaus unterstützt die Bundesregierung derzeit die Nutzung von schwimmenden Flüssigerdgasterminals an der deutschen Küste, die für die nächsten Winter entlasten könnten. Bei neuen Kapazitäten für den fossilen Energieträger Erdgas sollte aber ein Ausstiegsdatum mitbedacht werden, um nicht in Konflikt mit dem Ziel der Klimaneutralität bis 2045 zu kommen. Schwimmende Flüssigerdgasterminals (sogenannte Floating Storage and Regasification Units, FSRU) werden häufig in Leasing-Verträgen gechartert und böten sich damit für die zeitlich befristete Nutzung an. Feste LNG-Terminals in Deutschland zu errichten, ist dagegen wegen der langen Bauzeiten und dem mittelfristig stark rückläufigen Erdgasbedarf nicht sinnvoll.“

Wie Sie sehen, beschäftigen wir uns laufend intensiv mit den Details hinter den Schlagzeilen und berücksichtigen diese Informationen natürlich auch in unseren Anlagestrategien. So haben wir zum Beispiel bewusst einen Schwerpunkt im Bereich erneuerbare Energien gesetzt. Sprechen Sie uns einfach an oder schreiben Sie uns, wir informieren Sie gerne.

Hintergrundinformationen zum Artikel:
Deutschland verbrauchte im Jahr 2020 rund 868 Terawattstunden (TWh) Erdgas (Zahlen laut Eurostat). Das sind rund 86,8 Milliarden Kubikmeter Erdgas. Die wesentlichen Verbraucher sind die Industrie (255 TWh, also 29 Prozent des gesamten Erdgasverbrauchs), Haushalte (252 TWh, also 29 Prozent, ohne Fernwärme), Gewerbe/Kleinverbraucher (116 TWh, also 13 Prozent) sowie der Energiesektor mit Stromerzeugung, Wärmeerzeugung und Erdgasnutzung in Raffinerien (insgesamt 243 TWh, also 28 Prozent). Rund 95 Prozent des Erdgasverbrauchs wurden zuletzt importiert. Aus Russland stammten bisher mehr als 50 Milliarden Kubikmeter Erdgas (2020), also mehr als die Hälfte der Importe.

Quelle: www.diw.de